Forschungsprojekt
Genealogien der Gender Studies

Wissenssoziologische und – geschichtliche Studien zur Entstehung und Formierung der Gender Studies im deutschsprachigen Raum und in den USA. Eigenfinanzierung durch das Fachgebiet Kultur- und Wissenssoziologie.

Laufzeit: seit 2015

Kurzbeschreibung

Das Projekt unternimmt eine wissenschaftsgeschichtliche Untersuchung der Gender Studies, die sich an einem genealogischen Zugang orientiert. Unter der Bezeichnung „Gender Studies“ hat sich im deutschsprachigen Raum ein Forschungsfeld formiert und in ersten Ansätzen eine Institutionalisierung erfahren. Im Zuge der Formierung dieses Feldes wurden einige zentrale theoretische Leitkonzepte, nicht zuletzt „gender“ als Analysekategorie, entwickelt und verschiedene Paradigmen ausgebildet. Trotz bis heute anhaltender lebhafter Kontroversen und Debatten, die die gesamte Geschichte der Gender Studies prägen, sind in jüngerer Zeit zahlreiche Kanonisierungsbemühungen sowie Ansätze einer Disziplinbildung zu beobachten. Das Forschungsprojekt studiert diese Prozesse aus einer wissenssoziologischen und wissensgeschichtlichen Perspektive mit besonderem Fokus auf die sozialwissenschaftlichen Stränge der Gender Studies, auf die Feminist Science and Technology Studies und die feministischen Epistemologien.

Veröffentlichungen

Paulitz, Tanja (2021)Die Überwindung der Sex / Gender Unterscheidung als Errungenschaft der Gender Studies? Zur Problematik eines dominanten Narrativs. In: Feministische Studien, Nr. 2. 352-372. Mehr erfahren

Abstract:

In den späten 1980er Jahren erfolgte ein Umbruch innerhalb der feministischen Forschung, der mit fundamentalen neuen Weichenstellungen in der theoretischen Ausrichtung verbundenen war, die einer »wissenschaftlichen Revolution« (Kuhn 1976 [1962]) gleichkam. Mit dem neuen Paradigma »Gender« wurde auch im deutschsprachigen Raum der bis dahin eher lose Forschungszusammenhang der sog. »Frauenforschung« unter der Bezeichnung »Gender Studies« oder »Geschlechterforschung« vermehrt institutionalisiert. Für diesen deutschsprachigen Forschungskontext setzten die neuen Weichenstellungen die »transatlantische Reise« von Terminologie voraus, im Wesentlichen der Begriffe »Sex« und »Gender«: Genaugenommen ging allerdings eine Kritik auf Reisen, und zwar die Kritik an Vorstellungen von einer natürlichen Grundlage geschlechtlicher Differenz im Sinne des Begriffs Sex und, darauf aufbauend, die Idee von der unhintergehbaren Gesellschaftlichkeit des Geschlechts, die es unter dem nun zentral gesetzten Begriff Gender wissenschaftlich zu erforschen galt. Im vorliegenden Beitrag möchte ich die These vertreten, dass diese transferierte Begriffskritik letztlich erst die Dichotomie von Sex und Gender als das dem Gender-Paradigma vorgängige Theorem etabliert hat.

Paulitz, Tanja (2017): Parteilichkeit – Objektivität: Frauen- und Geschlechterforschung zwischen Politik und Wissenschaft. In: Handbuch Interdisziplinäre Geschlechterforschung. Hg.: Beate Kortendiek, Katja Sabisch, Birgit Riegraf. Wiesbaden: VS (online first publiziert).

Abstract:

Das Spannungsverhältnis von Parteilichkeit und Objektivität ist ein zentrales wissenschaftstheoretisches und methodologisches Diskussionsfeld, das für die Auseinandersetzung über den Stellenwert und die Bedeutung politischer Perspektiven im Prozess wissenschaftlicher Wissensproduktion in der sich in den 1980er-Jahren formierenden Frauenforschung und feministischen Theorie bedeutsam ist. Der Beitrag konzentriert sich darauf, wesentliche Positionen zum Begriffspaar zu skizzieren und wissenschaftstheoretisch sowie methodologisch einzuordnen.

Paulitz, Tanja (2017): Frauen-/Geschlechterforschung. Paradigmen, Kontroversen und Genealogien – von den Anfängen bis zur Jahrtausendwende. In: Geschichte der deutschsprachigen Soziologie, Bd. 1. Hg.: Stefan Moebius, Andrea Poldre. Wiesbaden: VS (online first publiziert).

Abstract:

Die Frauenforschung bzw. Geschlechterforschung formierte sich als neues akademisches Gebiet ausgehend von Frauenbewegung und Feminismus und etablierte sich unter anderem im disziplinären Kontext der Soziologie seit den 1970er Jahren. Der primäre Bezug des Beitrags sind westdeutsche Debatten und Kontexte sowie ihre Bedeutung vor dem Hintergrund ausgewählter internationaler bzw. insbesondere US-amerikanischer Entwicklungen/Diskurse. Den wissenschaftshistorischen Fokus bildet die Analyse der spezifischen Ausprägungen des Akademisierungsprojekts „Frauen-“ bzw. „Geschlechterforschung“. Die chronologische Darstellung setzt ein in der Zeit vor dem eigentlichen Aufbruch, beschreibt dann den doppelten Aufbruch der Frauenforschung im Spannungsfeld von Frauenbewegung und Wissenschaft und fährt fort mit der Professionalisierung der Frauenforschung als kritische akademische Praxis. Im Anschluss wird die Verschiebung von der Frauen- zur Geschlechterforschung betrachtet, die sich als Projekt der Deessenzialisierung im Sinne eines radikalen akademischen Denkstils begreifen lässt. Der Beitrag endet mit einem Ausblick in die Zeit nach der Jahrtausendwende und behandelt wichtige Facetten der seitdem erfolgenden Arbeit an der Reichweite der Analysekategorie Geschlecht.

Das Team

  Name Kontakt
Professoren und Professorinnen
Prof. Dr. Tanja Paulitz
+49 6151/16-57376
S3|13 320
Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Sandra Seeger M.A.
+49 6151/16-57493
S3|13 327