Thema:
Betriebsratswahlen sind ein zentrales Element der demokratischen Mitbestimmung in der Arbeitswelt und eine tragende Säule der politischen Partizipation von Beschäftigten. Umso erstaunlicher ist es, dass sie bisher nur selten zum Gegenstand empirischer Forschung wurden. Dabei gewinnt ihre Analyse gerade in Zeiten arbeitsweltlicher Umbrüche und gesellschaftspolitischer Polarisierung an Bedeutung. So ist davon auszugehen, dass sich Entwicklungen wie die industrielle Transformation und der gesellschaftliche Aufstieg des Rechtspopulismus zunehmend auch im Betriebsrats-Wahlverhalten der Beschäftigten widerspiegeln. Dazu drängen sich wichtige Fragen zum Verhältnis von Transformationsbetroffenheit und der Stratifizierung industrieller Bürgerrechte entlang der betrieblichen Sozialstruktur, zur sozialen Ungleichheit und der demokratischen Teilhabe im Betrieb sowie zur betriebs- und gesellschaftspolitischen Orientierung von Beschäftigten auf.
Hier setzt das vorliegende Forschungsprojekt an, indem erstmals eine empirische Betriebsrats-Wahlforschung entwickelt wird. Denn während sozialwissenschaftliche Wahl- und Demokratieforschung bisher verstärkt das Verhältnis von Ungleichheit und Wahlen auf makropolitischer Ebene untersucht haben, fehlt es an einer wahlsoziologischen Analyse von Betriebsratswahlen. Ziel des Projekts ist es daher, betriebliche (Status-)Ungleichheiten in der industriellen Transformation und deren Einfluss auf das Wahlverhalten von Beschäftigten bei Betriebsratswahlen zu analysieren sowie Parallelen zur Bundestagswahl zu identifizieren. Dabei wird die Frage untersucht, inwiefern sich durch die industrielle Transformation neue soziale und politische Spaltungen sowie Repräsentationsdisparitäten im Betrieb herausbilden und ob sich im Zuge dessen ein „rechter Betriebspopulismus“ entwickelt.
Das Forschungsprojekt folgt einem Mixed-Methods-Ansatz mit industriesoziologischen Fallstudien in zwei Transformationsbetrieben der Automobilindustrie, die ähnliche Transformationsprozesse durchlaufen, jedoch unterschiedlichen kulturellen Pfadlogiken der industriellen Beziehungen folgen und auf deren Mitbestimmungsebene erste Tendenzen eines „rechten Betriebspopulismus“ (Zentrum Automobil) aufkeimen. Das Forschungsdesign ermöglicht eine multiperspektivische Analyse der Zusammenhänge zwischen Transformationsbetroffenheit, betrieblicher Sozialstruktur und politischen Einstellungen sowie Wahlverhalten der Beschäftigten und umfasst: (1.) Experteninterviews mit Betriebsräten und Gewerkschaftsvertreter*innen, (2.) eine quantitative Nachwahlbefragung der Beschäftigten zur Erhebung sozialstruktureller Merkmale, des Wahlverhaltens (BR-Wahl u. Bundestagswahl) und der Wahrnehmung von Repräsentation und Mitbestimmung, sowie (3.) problemzentrierte Leitfadeninterviews mit Wähler- und Nichtwählergruppen zur Vertiefung und Triangulation der quantitativen Ergebnisse.
Auf Basis der empirischen Ergebnisse können Strategien zur Stärkung demokratischer Teilhabe und Mitbestimmung entwickelt werden. Zudem trägt das Projekt zur gesellschaftlichen Debatte über den Zusammenhang von betrieblicher und gesamtgesellschaftlicher Demokratie bei und bietet eine empirische Grundlage für den Umgang mit rechtspopulistischen Tendenzen in der Arbeitswelt. Mit dieser Forschung wird nicht nur ein neues Feld der Wahlsoziologie eröffnet, sondern auch ein wichtiger Beitrag zur Förderung demokratischer Mitbestimmung und politischer Gleichheit geleistet.
Forschungsfragen:
- Wie beeinflusst die Transformation die betriebliche Sozialstruktur und Stratifizierung industrieller Bürgerrechte? Entstehen neue (Status-)Ungleichheiten zwischen Beschäftigtengruppen?
- Welchen Einfluss haben diese Entwicklungen auf das Wahlverhalten bei BR-Wahlen? Führt die betriebliche Neustrukturierung zu Responsivitäts-/Repräsentationsdisparitäten?
- Lässt sich ein neuer Demokratiekonflikt im Betrieb identifizieren? Zeichnet sich ein „rechter Betriebspopulismus“ (Brinkmann/Laßhof 2025 i.ersch.) ab? In welchem Verhältnis steht das BR-Wahlverhalten zum Bundestags-Wahlverhalten?
Forschungs-Team:
Maurice Laßhof M. A.
Projektleitung:
Das Forschungsprojekt ist am Lehrstuhl für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftssoziologie verankert und wird von Prof. Dr. Ulrich Brinkmann betreut.
Thema:
Das Ziel des Forschungsvorhabens ist die Durchführung einer Follow-Up-Studie, wobei die Untersuchung der Kotthoff/Reindl-Studie „Die soziale Welt kleiner Betriebe. Wirtschaften, Arbeiten und Leben im mittelständischen Industriebetrieb“ (1990; 2. unveränderte Neuauflage 2019) den Ausgangspunkt markiert. Wir suchen Antworten auf die übergeordnete Fragestellung: Wie hat sich in den vergangenen fast 40 Jahren die betriebliche Sozialordnung in den überlebenden Untersuchungsbetrieben der Erststudie verändert?
Die Anlage des Vorhabens als Follow-Up-Studie ist die methodische Pointe des Projekts. Das Charakteristikum des qualitativen Paneldesigns ermöglicht als Forschungsdesign die Rekonstruktion dynamischer Prozesse. Ausgangspunkt der Untersuchung ist somit die Sekundäranalyse der Roh- und Originaldaten aus der Primärstudie. Die erste und oberste methodische Regel heißt ‚reset‘: zurückgehen auf das Originalmaterial für jeden einzelnen Untersuchungsfall, um von dort ausgehend betriebsindividuell-konkret den weiteren Verlauf der Geschichte überwiegend als oral history bis heute nachverfolgen zu können.
Die Zeitspanne seit der Erststudie war gekennzeichnet durch einen starken Wandel in der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwelt dieser Betriebe. In wirtschaftlicher Hinsicht gab es zwei schwere Finanzkrisen, Konjunkturkrisen in allen Branchen, technisch-organisatorische Herausforderungen und entsprechende Restrukturierungen, Druck zu einer stärkeren finanzmarktorientierten Unternehmenspolitik und die Internationalisierung der Märkte. Mindestens ebenso relevant für die Klein- und Mittelbetriebe war die Veränderung in der gesellschaftlichen Umwelt. Ihre Sozialordnung basierte nicht zuletzt auf traditionellen patriarchalisch-handwerklichen Autoritäts- und Familienstrukturen, aber kaum ein Kulturerbe stand in dieser Zeit stärker unter Veränderungsdruck als der Patriarchalismus. In der Zeitgeschichtsforschung wird diese Phase konzeptualisiert als historische Zäsur zwischen Moderne und Postmoderne, als Strukturbruch nach dem Boom, als eine neue Phase des Kapitalismus, die auf zahlreichen Feldern Veränderungen in welthistorischem Ausmaß herbeigeführt hat.
Bei den zu untersuchenden Branchen handelt es sich um die Holz- und Polstermöbelindustrie als Vertreterin des Bereichs der Low-Tech-Industrie sowie mit dem Maschinenbau um eine Branche des Medium-Tech-Sektors. Die untersuchten Branchen der Holzmöbelindustrie und des Maschinenbaus bieten somit einen erkenntnisversprechenden Vergleich, da beide sich an unterschiedlichen Wegmarken in einer sich wandelnden industriellen Produktionslandschaft am Wirtschaftsstandort Deutschland taxieren lassen.
Das Projekt ist ausgerichtet an dem konzeptionell-theoretischen Forschungsansatz der „Betrieblichen Sozialordnung“, den Kotthoff (1985; 2005) entwickelt und in der Primärstudie angewandt hat. Im Zentrum stehen darin Interaktionen, Deutungsmuster und Prozesse, die eine soziale Vernetzung von Unternehmer*in/Management und Beschäftigten vor dem Hintergrund einer stark von Interessenkonflikten geprägten Struktur möglich machen. Das Konzept der Sozialordnung ist die Anwendung der Prozess- und Figurationssoziologie (Norbert Elias), deren Gegenstand die dynamisch-relationalen Prozesse des „Dazwischen“ darstellen und nicht wie in methodisch-individualistischen Ansätzen autarke, nach ihren eigenen Prämissen handelnde Einheiten.
Forschungs-Team:
Apl. Prof. Dr. Hermann Kotthoff
Philippe Haller, M. A.
Projektleitung:
Das Forschungsprojekt ist am Lehrstuhl für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftssoziologie (Prof. Dr. Ulrich Brinkmann) verankert.
Thema:
Jugendliche in der (Klima-)Krise: Ein Vergleich der Fridays for Future Bewegung mit Auszubildenden der Opel Automobile GmbH in Rüsselsheim und Volkswagen AG in Kassel-Baunatal.
Forschungsthese:
Trotz vieler Gemeinsamkeiten in der Perzeption der (Klima-)Krise ist Fridays for Future nicht der Stellvertreter für die politischen Interessen »der Jugend«. Am Konfliktherd um Beschäftigungssicherung spalten sich die Belange der befragten Jugendgruppen.
Was wurde gemacht:
Im Kontext der Klimakrise wird die Jugendbewegung Fridays for Future oftmals als symbolischer Vorreiter für »die Jugend« stilisiert, welche die politischen Interessen einer vermeintlich homogenen Jugend vertritt. Das Forschungsprojekt »Jugendliche in der (Klima-)Krise« vergleicht die Fridays for Future Bewegung mit Auszubildenden aus der Automobilindustrie und untersucht, ob Jugendliche tatsächlich konvergierende Einstellungen hinsichtlich der Klimakrise und darüber hinaus besitzen.
In einer eigenen Erhebung haben wir ein Forschungsdesign bemüht, das quantitative und qualitative Befragungen mit der Methode der Teilnehmenden Beobachtung kombiniert. Die Befragung konzentriert sich auf sozioökonomische Merkmale und politische Einstellungen von Auszubildenden der Automobilproduzenten Opel im Werk Rüsselsheim und Volkswagen in Kassel-Baunatal (n = 216) sowie von Teilnehmer*innen der »Fridays for Future«-Demonstrationen (n = 483). Ebenso werden Sichtweisen, Perzeptionen und Strategien im Umgang mit der gegenwärtigen (Klima-)Krise sowie den betriebsspezifischen Krisen erhoben und untersucht. Die Erhebungen wurden bei den betrieblichen Jugendversammlungen der Auszubildenden sowie beim Global Climate Strike am 20. September 2019 in Darmstadt durchgeführt. Die Teilnehmenden Beobachtungen umfassen Jugendversammlungen, die ver.di Veranstaltung »Klimabewegung und Gewerkschaften« des Ortsvereins Darmstadt am 15. Januar 2020, einer Demonstration der Opel-Auszubildenden am 23. Mai 2019 in Wiesbaden und dem Global Climat Strike am 20. September 2019 in Darmstadt.
In einer Follow-up-Sudie haben wir erneut bei einem Global Climat Strike in Darmstadt am 24. September 2021 FfF-Aktive (n = 475) zu ihren politischen Einstellungen und Belangen befragt. Ein besonderer Fokus wurde hierbei auf die Qualität und den Inhalt ihrer Systemkritik gelegt.
Forschungsgruppe:
Felizitas Freundt, Maren Hassan-Beik, Luca Karg, Maurice Laßhof, Klara Oeser und Joshua Seger.
Betreuer*innen:
Das Forschungsprojekt ist am Lehrstuhl für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftssoziologie verankert und wird von Prof. Dr. Ulrich Brinkmann und Dr. Daniel Behruzi betreut.
Publikationen:
Karg, Luca & Laßhof, Maurice (2022). »System Change not Climat Change«? Fridays for Future revisited. In: Zeitschrift Z. Nr.130, Juni 2022, S. 93–106.
Karg, Luca & Laßhof, Maurice (2021). Hat die Jugend eine Stimme? Fridays for Future und Auszubildende im Krisenklima. In: GWP – Gesellschaft | Wirtschaft | Politik, 1–2021, S.84–98. DOI: 10.3224/gwp.v70i1.08
Karg, Luca & Laßhof, Maurice (2021). Die Jugend kriegt die Krise(n). Wahrnehmungen von Fridays-for-Future-Aktiven und Auto-Azubis im Vergleich. Hamburg: VSA-Verlag.
Karg, Luca & Laßhof, Maurice (2020), Klimakrise im Krisenklima: Krisenwahrnehmung und -empfindung von Jugendlichen. In: Zeitschrift Z. Nr. 123, September 2020, S. 63–75.
Karg, Luca & Laßhof, Maurice (September, 2020). Klimakrise im Krisenklima. Vorabdruck: Wie wird die Klimakrise von Jugendlichen wahrgenommen? Wird der Zusammenhang mit dem Kapitalismus verstanden? Eine Befragung von Azubis um Klimaaktivisten liefert Aufschlüsse, jungeWelt, Nr. 205, S. 12–13, Berlin.
Im Interview mit: Behruzi, Daniel (Oktober, 2019). Postdemokratische Einstellungen: »Die Ergebnisse sollten ein Weckruf sein«, jungeWelt, Nr. 231, S. 2, Berlin.
Vorträge:
Karg, Luca & Laßhof, Maurice (September, 2020). Krisenwahrnehmung im Krisenklima. Fridays for Future im Vergleich mit Automobil-Azubis. Delegiertenversammlung IG Metall, Geschäftsstelle Darmstadt.
Karg, Luca & Laßhof, Maurice (September, 2020). Krisenwahrnehmung im Krisenklima. Fridays for Future im Vergleich mit Automobil-Azubis. Heftvorstellung Nr. 123 »Jugend und Politik«, Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung.
Laßhof, Maurice & Seger, Joshua (Januar, 2020). Jugend in der Krise: Die Transformation als Unsicherheits- und Politisierungsfaktor. Arbeitskreis Arbeitspolitik und Arbeitsforschung, IG Metall Vorstand: Frankfurt am Main.
Thema:
Solidarität und Skepsis: Flucht, Migration, arbeitsweltliche Umbrüche und politische Entwurzelung.
Forschungsthese:
Der gegenwärtige Aufschwung rechter Parteien und Bewegungen ist das Resultat multidimensionaler Krisendynamiken der kapitalistischen Gesellschaftsformation. Gewerkschaften nehmen in den daraus resultierenden Auseinandersetzungen eine zentrale Rolle ein.
Was wurde gemacht:
Rechte Parteien und Bewegungen erfahren in den letzten Jahren einen wachsenden Zuspruch. Diese Entwicklung führt zu eruptiven Wahlergebnissen, die die alten Volksparteien in die Defensive rücken und zur politischen Neuformation ganzer Parlamente führen.
Jenseits des medialen und politischen Diskurses bleibt erklärungsbedürftig, welche sozialen Bedingungen dem Ansturm von Ressentiments, Rassismus und Autoritarismus den Boden bereiten. Die Studie ordnet den Erfolg rechter Parteien und Bewegungen in eine multidimensionale Krisendynamik ein, die sich in verschiedenen Problemlagen des Berufsalltags manifestiert. Damit geraten Gewerkschaften als zentrale Akteure in den Fokus. Im Rahmen einer triangulativ angelegten Studie wurden engagierte Gewerkschafter*innen, die ein Scharnier zwischen Hauptamtlichen und Mitgliedern bilden, nach ihren Deutungen zu Flucht und Migration sowie der Umbrüche in der Arbeitswelt, des neoliberalen Umbaus der Gesellschaft und der Veränderungen in der Parteienlandschaft befragt. Ihnen fällt eine wichtige Rolle in der Bearbeitung arbeitsweltlicher sowie gesellschaftlicher Konflikte und Perspektiven zu.
Forschungsgruppe:
Prof. Dr. Ulrich Brinkmann, Maren Hassan-Beik, Lukas Zappino
Publikationen:
Brinkmann, Ulrich/ Hassan-Beik, Maren/ Zappino, Lukas (2020): Solidarität und Skepsis: Flucht, Migration, arbeitsweltliche Umbrüche und politische Entwurzelung. Hamburg: VSA Verlag.
Brinkmann, Ulrich/ Hassan-Beik, Maren/ Zappino, Lukas (2019): Wer wählt die AfD? Ökonomische, politische und kulturelle Determinanten des Aufstiegs des Rechtspopulismus. In Zeitschrift Z. Nr. 119, September 2019.
Brinkmann, Ulrich/ Hassan-Beik, Maren/ Zappino, Lukas (2019): Solidarität und Skepsis. Flucht, Migration und soziale Frage aus der Sicht gewerkschaftlich Engagierter. WSI-Mitteilungen 3/2019.
Hassan-Beik, Maren/ Pato Otero, Javier/ Zappino, Lukas (2019): Politikverdrossenheit oder Repräsentationsdefizit? Zur wachsenden Bedeutung der Gewerkschaften in der Postdemokratie. Sozialismus Nr. 436, 01-2019.
Im Interviewe mit: Laßhof, Maurice (Juni, 2020), »Die soziale Frage ist für viele das zentrale Thema«, jungeWelt, Nr. 132, S. 8, Berlin.
Interview (Februar, 2020): Rechtspopulismus im gewerkschaftlichen Kontext: »Der Wunsch nach mehr Konflikt«, express- Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, Ausgabe 02/2020, S. 3, Frankfurt.
Thema:
Ausbildung 4.0 und Digitalisierung: Entwicklungen, Einflüsse, Handlungsbedarf, Chancen, Risiken und demokratische Mitbestimmung in der Ausbildung der Metall- und Elektroindustrie.
Forschungsfragen:
Welche Entwicklungen, Einflüsse und Auswirkungen nimmt die Digitalisierung auf Ausbildungsberufe und den betrieblichen Kontext in der Metall- und Elektroindustrie?
Welche Chancen und Risiken ergeben sich durch die Digitalisierung der Ausbildung für die demokratische Mitbestimmung im Betrieb?
Ziele:
In Zusammenarbeit mit der IG Metall Bezirk Mitte entsteht in Anlehnung an den Transformationsatlas aus dem Jahr 2019 durch eine quantitative Befragung der Jugend- und Auszubildendenvertreter*innen in ca. 100 Betrieben im IG Metall Bezirk Mitte ein „Ausbildung 4.0-Atlas“. Zusätzlich sollen durch qualitative Interviews in ca. vier Betrieben auch in der Tiefe Prozesse der Digitalisierung in der Ausbildung sowie damit zusammenhängenden Fragen der Mitbestimmung und der Weiter- bzw. Neuentwicklung von Berufsbildern untersucht werden.
Ziel des Projekts ist es einerseits durch die Befragung der Jugend- und Auszubildendenvertreter*innen eine Sensibilisierung für Themen der Transformation in der dualen Ausbildung zu fördern. Die betrieblichen Akteure erkennen so Handlungsbedarfe und -möglichkeiten, um tiefgreifende Veränderungsprozesse nicht nur zu erdulden, sondern aktiv mitzugestalten, mit Gewinn für die Auszubildenden und Beschäftigten. Andererseits wird parallel eine aussagekräftige Datengrundlage erzeugt, mit der abgeschätzt werden kann, in welchen Betrieben welche Prozesse im Bereich Ausbildung 4.0 bereits wie weit fortgeschritten sind und welcher Handlungsbedarf sich daraus für die IG Metall (Jugend) im Bezirk ergibt. Diese Datengrundlage wird die Basis der IG Metall für zukünftige betriebspolitische, tarifpolitische als auch arbeitsmarkt- und bildungspolitische Diskussionsprozesse verbreitern, aus denen sich wiederum Zielstellungen für das weitere Vorgehen in allen drei Bereichen ergeben (bspw. Kampagnen oder Lobbyarbeit etc.).
Forschungsgruppe:
Stella Buck, Myron De Vane, Felizitas Freundt, Luca Karg, Maurice Laßhof, Hannah Schwärzel
Betreuer*innen:
Das Forschungsprojekt ist am Lehrstuhl für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftssoziologie verankert und wird von Prof. Dr. Ulrich Brinkmann und Leonie Hein (IG Metall Bezirksjugendsekretärin) betreut.
Publikationen:
Karg, Luca & Laßhof, Maurice (2023). Digitalisierung first, Mitbestimmung second? Empirische Einsichten in die industrielle Ausbildung 4.0. In: Ch. Schmitz & H.-J. Urban (Hrsg.), Gute Arbeit: Das neue Normal – Konflikte um die Arbeit der Zukunft. S. 132–145. Frankfurt am Main: Bund Verlag.
Thema:
„Beschäftigte in der Transformation“ – Teilprojekt Zulieferindustrie. Lohnabhängigenbewusstsein in der Transformation am Beispiel eines Fallbetriebes in der Automobilzulieferindustrie
Forschungsfragen:
Welche Bedingungen ermöglichen oder verhindern kollektives Handeln in der Transformation?
Was sind betriebliche und lebensweltliche Quellen der Produktion von Lohnabhängigenbewusstsein?
Projektskizze:
Im Rahmen des Projektes wird eine multimethodisch orientierte Intensivfallstudie eines Standortes in der Automobilzulieferindustrie durchgeführt. Der untersuchte Fallbetrieb befindet sich in einem Transformationsprozess mitsamt Stellenabbau und Produktkonversion. Dieser Prozess wurde und wird durch einen Sozialtarifvertrag arbeitnehmerseitig mitbestimmt. Den Kern der Empirie stellt zum einen eine Mixed-Mode-Befragung dar (Mai bis Juni 2023; N=245). Darüber hinaus werden leitfadengestützte Interviews umgesetzt mit unterschiedlichen Beschäftigtengruppen am Standort. Themen der Befragung sowie der Interviews sind u. a.:
- Betriebliche Sozialordnung
- Identifizierung mit dem Standort
- Angst vor Arbeitsplatzverlust
- Wettbewerbsorientierung
- Kollegialer und solidarischer Bezug auf Kolleg*innen
- Wahrnehmung von Betriebsrat und IG Metall
- Wahrnehmung der Sozialfigur des Werkleiters
Ebenso werden Expert*inneninterviews geführt (Werkleiter, Betriebsrat, IGM-Sekretär), Formen ethnografischer Beobachtung umgesetzt sowie Graue Literatur gesichtet.
Forschungsgruppe:
Felizitas Freundt, Philippe Haller, Sascha Küfner
Externe Kooperationspartner:
Prof. Dr. Dieter Sauer (ISF München) und Richard Detje (WissenTransfer)
Vorträge:
Freundt, Felizitas/ Haller, Philippe/ Küfner, Sascha: „Marktautoritarismus contra Solidarität? Lohnabhängigenbewusstsein in der Transformation am Beispiel eines Fallbetriebes in der Automobilzulieferindustrie“, bei: “The (un)making of the working class” – Aktuelle Dynamiken von Klassenformierung in Deutschland. Kolloquium des RLS-Gesprächskreises „Klassen und Sozialstruktur“, 15. und 16.12.2023.
Betreuung:
Das Forschungsprojekt ist am Lehrstuhl für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftssoziologie verankert und wird von Prof. Dr. Ulrich Brinkmann betreut.
Veröffentlichungen im (Teil-)Projekt:
Ausstehend
Projektskizze:
Im Zentrum des Forschungsprojekts stehen die Fragen, wie der Aufbau transnationaler Solidarität unter Bedingung globaler Standortkonkurrenz gelingen kann und welchen Beitrag die transnationale Vernetzung zum Aufbau gewerkschaftlicher Handlungsmacht zu leisten vermag. Denn Beschäftigte und ihre kollektiven Interessenvertretungen in der M+E-Industrie stehen nicht erst seit der Corona-Pandemie unter besonderem Druck: Entgrenzung, Globalisierung, Digitalisierung und Automatisierung stellen zentrale, eng miteinander verflochtene Herausforderungen dar. Klar ist zudem: Die Treiber, Trends und Dynamiken der Transformation der Arbeitswelt werden weder an den Schranken des örtlichen Betriebsgeländes noch an nationalen Grenzen Halt machen.
Das Untersuchungsfeld ist damit von einer Ungleichzeitigkeit konturiert, die eine grundlegende Asymmetrie in den globalen Wertschöpfungsketten nach sich zieht: Während insbesondere multinationale Unternehmen und OEMs über nationale Grenzen hinweg globale Wertschöpfungsnetzwerke dominieren, fehlen transnationale Vernetzungsstrategien von betrieblichen Interessenvertretungen der Arbeitnehmer*innen in der M+E-Industrie vielfach. Gleichwohl lassen sich in jüngerer Zeit innovative – und bislang weitgehend unerforschte – Ansätze der transnationalen Vernetzung betrieblicher Interessenvertretungen in der globalisierten M+E-Branche und ihrer Transformation identifizieren, die Etablierung gewerkschaftlicher Netzwerke und Stärkung lokaler gewerkschaftlicher Strukturen zu verbinden suchen. In ihnen kommt auch ein neues Solidaritätsverständnis zum Ausdruck: Eigeninteressen der beteiligten Akteure werden nicht (nur) als Hindernis transnationaler Solidarität verstanden, sondern als Ausgangspunkt der Kooperationsinitiativen.
Empirisch stützt sich das Projekt auf Experteninterviews und arbeitsethnographischer Begleitforschung der Vernetzungsprojekt. Aus soziologischer Perspektive richtet das Forschungsprojekt dabei besonderes Augenmerk auf die Rolle des Vertrauens in der Bildung solidarischer gewerkschaftlicher Netzwerke. Die Untersuchung der Solidarisierungspotentiale soll so einen wichtigen Beitrag zur gegenwärtigen Debatten um Transformation der Arbeitswelt und der Frage nach Rekonstituierung gewerkschaftlicher Handlungsmacht in globalen Wertschöpfungsketten leisten.
Forschungsgruppe:
Prof. Dr. Ulrich Brinkman, Technische Universität Darmstadt (Co-Projektleiter)
Dr. des. Hendrik Simon, Leibniz Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (Co-Projektleiter)
M.A. Lukas Zappino, Technische Universität Darmstadt (wissenschaftlicher Mitarbeiter)