Laufzeit: 1.10.2019 – 30.09.2021
Wissenschaftliche Mitarbeiter: Sebastian Hüttel und Vincent Raim
Im Zentrum aktueller Gesellschaftsdiagnosen steht oftmals die Annahme, dass sich der Aufstieg der AfD, ähnlich wie auch der Aufstieg vergleichbarer Rechtsparteien in Europa und den USA, aus wachsenden sozialen Ungleichheiten erklären lässt. Dabei wurde das interessante Faktum, dass sich Wählergruppen keineswegs nur in prekären, sondern verstärkt auch in mittleren und selbst in privilegierten Lagen finden, in bisherigen Untersuchungen allerdings kaum systematisch untersucht. Zudem finden sich kaum empirische Untersuchungen, die sich auf der Basis ungleichheitstheoretischer Annahmen rekonstruktiv mit lebensgeschichtlichen und milieuspezifischen Entstehungsbedingungen rechtspopulistischer Orientierungen befassen. In diese Forschungslücke zielt das geplante Projekt. Es will einen Vergleich unterschiedlicher Milieus der Anhängerschaft vornehmen, um daraus Hypothesen über den Zusammenhang zwischen milieuspezifischen Lagen/Flugbahnen, lebensgeschichtlichen Erfahrungen und der Herausbildung rechtsgerichteter politischer Orientierungen zu entwickeln. Dazu soll eine biografie-analytische Studie mit insgesamt 30 AfD-AnhängerInnen im mittleren Erwachsenenalter (30-60) aus drei unterschiedlichen Milieus in der Rhein-Main-Region und in Berlin vorgenommen werden: Geplant ist ein Sampling, das urbane Akademiker, kleinstädtische Milieus mit mittlerer Bildung und einfache ländliche Arbeiter/Angestellte vergleicht. Über welche Selbst- und Gesellschaftsbilder verfügen AfD-Anhänger in den unterschiedlichen Milieus, welche Habitus erweisen sich als resonant? In welchen lebensgeschichtlichen Erfahrungszusammenhängen (Lebenslagen, Lebenssituationen und Lebensverläufe) bilden sich rechtspolitische Orientierungen heraus? Welche Zusammenhänge bestehen zwischen vorpolitischen Selbst- und Gesellschaftsbildern (Habitus) und politischen Narrativen der AfD (rechtspopulistische Ideologien) in den unterschiedlichen Milieus?
Informationen zur Veröffentlichung finden Sie auf der Homepage des Transcript Verlags.
Cornelia Koppetsch, Eva-Maria Bub und Judith Eckert
Laufzeit: 01.11.2016-31.10.2018
Immer mehr Paare trennen sich. Doch was genau passiert bei einer Trennung mit einem selbst und dem anderen? Wie verlaufen Trennungen? Wie fühlt man sich dabei und wie geht das Leben dann weiter? In welchem Zusammenhang stehen Trennungs- und Beziehungsdynamiken? Wie deuten die Partner/innen jeweils den Trennungsprozess? Gibt es diesbezüglich Geschlechtsunterschiede? Wo stehen Entfremdungsprozesse, wo Konflikte und Krisen im Vordergrund der Trennung? Welche Bedeutung kommt der Verletzung von Normen zu und welche Normbereiche – Partnerschafts-, Solidaritäts-, Treue-, Geschlechtsnormen – stehen dabei jeweils im Vordergrund?
Diese und weitere Fragen untersucht das DFG-Projekt „Paare nach der Trennung“, das die zweite Phase des Projekts „Geschlechterarrangements in Paarbeziehungen im Milieuvergleich“ bildet. In der ersten Phase standen Aushandlungsprozesse der Geschlechterverhältnisse von Paaren im Vordergrund, in denen der Mann kein Ernährer mehr ist. Die Studie ging dabei milieuvergleichend vor. Die zweite Projektphase verändert nun die Blickrichtung. Im Vordergrund stehen nunmehr Konflikte, Krisen und Trennungsprozesse von Paaren in derselben Konstellation. Neben den Fragen, unter welchen Bedingungen Paare sich trennen und welche Bedeutung in diesem Zusammenhang dem Geschlechterverhältnis zukommt, werden insbesondere auch Trennungen unter Prekarisierungsbedingungen untersucht.
Das Projekt ist somit im Schnittfeld der Forschung zu Prekarität und Lebensführung sowie der Paar- und Geschlechterforschung angesiedelt und strebt zudem eine milieuvergleichende Analyse spezifischer Konflikt- und Trennungskonstellationen an. Die jeweiligen Forschungsfragen werden mittels qualitativer Interviews, die sich für die soziale Praxis der Interviewpartner/innen interessieren, und entlang rekonstruktiver Analysemethoden beantwortet. Das Paar selbst bildet dabei die Untersuchungseinheit. In diesem Sinne werden beide ehemaligen Partner/innen im Rahmen von leitfadengestützten Interviews getrennt voneinander befragt.
Cornelia Koppetsch, Maria Keil
Laufzeit: 01.11.2016-31.10.2018
Der dynamische Wandel von Arbeitswelten bringt Risiken und Gefährdungen für individuelle Erwerbsbiografien mit sich. Dies trifft in besonderem Maße auf wissenschaftliche Erwerbsbiografien zu. Hier hat sich eine pyramidale Stellenstruktur herausgebildet: Eine kleine Zahl von Professor/innen steht einer steigenden Zahl von Doktorand/innen und prekär beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen, die größtenteils in befristeten Arbeitsverhältnissen und Teilzeitbeschäftigungen tätig sind, gegenüber. Ein Ende der prekären Lage ist in der Regel erst mit Erreichen der Professur in Sicht. Wie leben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter diesen Bedingungen Wissenschaft heute? Welche Faktoren sind es, die zu einem beruflichen Aufstieg oder Abstieg in der Wissenschaft beitragen und wodurch zeichnen sich hochselektive Karriereverläufe in der Post-Doc-Phase aus? Was wird dabei aus der Lebensform Wissenschaft und der Identifikation als Wissenschaftler/in? Im Rahmen des Projekts soll diesen Fragen nachgegangen werden. Dazu wird die Post-Doc-Phase als Statuspassage fokussiert in den Blick genommen. Ziel der Studie ist es, Übergänge, Selektionsprozesse und Schlüsselsituationen der Post-Doc-Phase auszumachen. Dabei sollen einerseits der äußere Ereignisverlauf der bisherigen institutionellen und kognitiven Laufbahn sowie andererseits der innere Bewältigungsverlauf auf Basis subjektiver Deutungen rekonstruiert werden. Im Fokus stehen die Rolle sozialer Einbindungen und sozialer Netzwerke für die unterschiedlichen Verlaufsformen in der Post-Doc-Phase sowie die Passungsverhältnisse zu Mentor/innen, Gatekeepern und Kolleg/innen. Empirische Basis der Studie stellen Interviews mit promovierten Sozialwissenschaftler/innen dar.
Laufzeit: 01.07.2012 – 30.06.2014
Wie bewältigen Männer prekäre Erwerbslagen im Kontext von Familie und Paarbeziehung? Infolge zunehmender Flexibilisierung der Märkte und der Deregulierung des Arbeitsmarktes werden unsichere Erwerbsbiografien für immer mehr Beschäftigte zu einem realistischen Szenario. Sie haben in historisch neuem Ausmaß auch Männer in qualifizierten Berufen erfasst. Das Forschungsprojekt dokumentiert, dass die Bewältigung prekärer Erwerbsumstände in entscheidendem Maße auch von milieuspezifischen Leitbildern und Geschlechterarrangements in Familie und Paarbeziehung abhängt. Stehen dem Betroffenen alternative Lebensentwürfe zur erwerbszentrierten Männlichkeit zur Verfügung? Kommt es zur Veränderung von Geschlechterarrangements? Kann die Frau den Einkommensverlust kompensieren? Sollen beide Geschlechter gleichwertig am Erwerbsleben teilnehmen, oder folgt das Paar dem Leitbild des männlichen Ernährers?
Das Projekt untersucht, wie sich prekäre Erwerbssituationen des Mannes auf die Aushandlung von Geschlechtsrollen in Paarbeziehungen auswirken – differenziert nach Sozialmilieus. Einbezogen in die Untersuchung werden folgende Milieus: a) Führungskräfte (Eliten); b) individualisiertes Milieu (akademische Bildung, urban); c) mittlere Angestellte; d) Handwerker- und Facharbeitermilieu. Die geplante Studie ist als qualitative Untersuchung angelegt.
Laufzeit: 01.11.2013 – 01.09.2014
Im Zentrum dieses Projekts steht die Frage, wie Liebesbeziehungen im Kontext internetgestützter Partnersuche entstehen und welche Rolle Vertrauensbildung und romantische Liebe dabei spielen. Anders als im „realen“ Leben findet die Partnersuche im Netz systematisch und zielorientiert statt. Es sind Beziehungsmärkte entstanden: Internetportale stellen effiziente Mittel des Vergleichens potenzieller Partner bereit, wodurch der Eindruck entsteht, die Auswahl von Partnern erfolge wie eine Konsumentscheidung. Umgekehrt erhalten Partnersuchende in hohem Maße Kontrolle über ihre Selbstdarstellung, was auch die Möglichkeit zur Täuschung und zu unwahren Profilangaben miteinschließt. Dies wirft die Frage auf, in welchem Maße die Bildung von Partnerschaften im Kontext des Internets noch durch Emotionen (wie z. B. Gefühle des Verliebtseins) oder durch romantische Liebe bestimmt wird.
Mitarbeiterin: Diplom-Soziologin Wibke Krücker
Diagnose und Beschreibung der Sozialstruktur moderner Gesellschaften erfolgte immer wieder von deren Mitte her. Dies gilt für die populäre Charakterisierung der westdeutschen Klassenstruktur als „nivellierte Mittelstandsgesellschaft“ (Schelsky 1965). Auch die Klassenanalyse Bourdieus machte die Mittelklassen, nämlich das „Kleinbürgertum“, zum Schlüssel der modernen Klassenanalyse (Eder 1989). Schließlich findet auch die bundesrepublikanische Diagnose der Individualisierungsthese von Beck (1986) ihren Ausgangspunkt in den mittleren Lagen und Milieus. Der „Fahrstuhleffekt“, der Ausbau des Bildungssystems und die Ausdifferenzierung von Mustern der Lebensführung wurden zum Kristallisationspunkt für die Aufstiegserwartungen der Mittelklasse, weshalb die Mittelklasse immer wieder auch als wesentliche Trägergruppe der durch die Individualisierungsthese beschriebenen kulturellen Dispositionen – Verinnerlichung, Subjektivierung und individuelle Gestaltung – betrachtet wurde. Vor diesem Hintergrund geht es um die Frage, welche Veränderungen in Mentalitäten und Mustern der Lebensführung zu beobachten sind und welche Bedeutung „Individualisierung“ heute noch zukommt. Auslöser für die aktuellen Veränderungen sind:
Der wohlfahrtsstaatliche Modellwechsel vom Statusgaranten zum Gewährleistungsstaat (Vogel 2008). Der Übergang zum Gewährleistungsstaat entfaltet sehr ungleiche Wirkungen in unterschiedlichen Schichten der Gesellschaft: Während es in den Randlagen um die Verfestigung der Armut geht, geht es in den mittleren Lagen um die Gefährdung des Status – um prekären Wohlstand (laut statistischem Bundesamt ca. 25%) und Vulnerabilität (Castell 2001). Vulnerabilität ist nicht mit faktischer Deklassierung und sozialem Abstieg gleichzusetzen, auf dem Spiel steht vielmehr die Erfahrung subjektiver Gestaltungsspielräume und langfristiger Lebensplanung.
Neben dem Verlust der Statussicherheit hat auch der Wandel sozialer Mobilitätsbedingungen zur Veränderung der Mittelklasse beigetragen. In der wohlfahrtsstaatlichen Phase der Bundesrepublik eröffneten sich durch die Expansion des Bildungssystems und die Zunahme von Dienstleistungsberufen neue Aufstiegsmöglichkeiten für die Mittelklassen. Die Vermittlung von „Kultur“, d. h. von Bildung, Geschmack und Kompetenzen zum symbolischen Konsum, wurden zu bevorzugten Betätigungs- und Distinktionsfeldern der Mittelklasse (Bourdieu 1986; Eder 1989). Kulturelle Identitäten werden in diesen Feldern nicht mehr als kollektive Schicksale vererbt, sondern als individuelle Schicksale erworben. Das Wiedererstarken ökonomischer Gegensätze im Zuge der Globalisierung hat diesen Mechanismus jedoch zurückgedrängt. Ökonomische Verteilungskämpfe treten wieder in den Vordergrund und erzeugen neue Abgrenzungen, die durch die symbolische Aneignung von Bildung und Lebensstilen nur noch partiell überbrückt werden können.
Eine besondere Bedeutung nimmt aktuell in Deutschland in der Mittelschicht das Mentalitätsmuster der „neuen Bürgerlichkeit“ ein, dessen Rolle in den aktuellen Auseinandersetzungen um kollektive Identität und Status genauer untersucht werden soll. Argumentiert wird, dass das Ethos der neuen Bürgerlichkeit im Zentrum einer neuen Identitätspolitik innerhalb der Mittelschicht steht, weil es zwei Funktionen erfüllt: Es bietet ein mentales und ideologischen Bollwerk gegen den oft als unmoralisch und exzessiv empfundenen neoliberalen Geist des Kapitalismus und es gewährt sozialen Abstand gegenüber den prekären und unteren Soziallagen.
In populären Diagnosen zur Sozialstruktur wie auch in neueren sozialwissenschaftlichen Analysen zur „Wissensgesellschaft“ wird seit einigen Jahren das Auftauchen einer neuen, aufstrebenden Intelligenzschicht behauptet: So spricht etwa Florida vom Aufstieg einer „Kreativklasse“, Robert Reich hat in einem vielbeachteten Buch die Herrschaft der „Symbolanalytiker“ ausgerufen, Nico Stehr behauptet den Aufstieg der „Wissensarbeiter“ und Dahrendorf spricht von der neuen flexiblen Intelligenz als „globaler Elite“. Allerdings fehlt eine akteurstheoretische Positionierung der neuen Expertengruppen in Abgrenzung zu klassischen Expertengruppen, vor allem in Abgrenzung zu den Professionen. Von diesen Annahmen ausgehend wird anhand konkreter Berufsfelder (Werbung, Wissenschaft, Unternehmensberatung) untersucht, ob und in welchem Ausmaß die Rede von einem neuen Expertentypus gerechtfertigt ist, welche Auseinandersetzungen zwischen klassischen und neuen Expertengruppen (die im Anschluss an Reich Symbolanalytiker genannt werden) stattfinden und welche gesellschaftlichen Veränderungen dem Aufstieg der neuen Experten zugrunde liegen.
- „Geschlechterverhältnisse in Paarbeziehungen im Milieuvergleich“ (DFG-Projekt 1995-1997)
- „Körper und Status. Attraktivitätsnormen im Milieuvergleich“ (DFG-Projekt 1997-1999)
- „Berufskulturen im Wandel am Beispiel der Kreativen in der Werbebranche. Deutschland und USA im
- Vergleich“ (University Chicago und Universität Lüneburg 2001-2005, gefördert von der DFG)
- „Wissenschaft an Hochschulen in Deutschland und Frankreich“ (FU Berlin 1992-1995 mit
- Forschungsaufenthalt an der Sorbonne/Paris)